Der Mensch in der Schublade

Auch wenn diese Vorstellungen in einigen Fällen zutreffen mögen, sollte man diese Annahmen (über Menschen aus Bayern, über Schotten und Iren, sowie Belgier u.a.) doch nicht generalisieren. Denn sie sind auch für viele Menschen dieser Gruppen diskriminierend, auf die diese Annahmen nicht zutreffen.

Im Folgenden möchte ich mit zwei Annahmen aufräumen, die eine Gruppe betreffen, der ich unfreiwillig bereits seit fast 30 Jahren angehöre: Es ist die Gruppe der blinden Menschen.

Annahme 1:  Blinde Menschen sind vor allem mit blinden Menschen zusammen und kennen wenige Menschen, die nicht blind sind.

Dieses ist eine Annahme, die ich nicht bestätigen kann. Natürlich ist es in schwierigen Situationen – und das ist der Moment der Erblindung zweifelsohne – hilfreich, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Andererseits ist man nach wie vor ein ganz normaler Mensch. Ich möchte niemandem meiner Mitbetroffenen verbieten, und kann dieses auch gar nicht, sich überwiegend mit blinden Menschen auszutauschen. Diese Annahme darf nur nicht als unhinterfragte Behauptung im Raume stehen bleiben. Ich persönlich kenne einen blinden Menschen gut, ansonsten bin ich nur mit visuell nicht eingeschränkten Personen zusammen.

Und das ist auch gut.

Viele Alltagsdiskussionen und Erfahrungen würden mir ansonsten verschlossen bleiben. Ich habe es im Gegenteil stets als sehr erfrischend und konstruktiv empfunden, Probleme, die überwiegend blinde Menschen betreffen, mit visuell nicht eingeschränkten Bekannten und Freunden zu diskutieren.

Annahme 2: Blinde Menschen können nur blindenspezifische Tätigkeiten ausführen

Eine solche Behauptung kann heute von niemandem mehr ernsthaft vertreten werden. Die moderne Kommunikations- und Informationstechnologie macht es möglich, blinde Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen einzusetzen. Es mag zunächst einen höheren Aufwand und eine intensivere Vorbereitung erfordern, aber heute ist es für blinde Menschen absolut möglich, qualitativ ebenso hochwertige Arbeiten auszuführen wie visuell nicht eingeschränkte Menschen. Geräte wie Braillezeile, Sprachausgabe, Telefon und Scanner ermöglichen dieses. Es sollte also nicht mehr notwendig sein, dass blinde Menschen nur Alibi-Jobs in paternalistischen Betrieben oder Blindenverbänden ausführen. Diese Gruppe von Menschen kann durchaus produktiv sein. Blinde Pastoren, Banker oder Bäcker brauchen keine Seltenheit mehr zu sein. Gleiches gilt für viele andere Bereiche.

Fazit:

Der Text benennt eigentlich Selbstverständlichkeiten, deren Erwähnung in der heutigen aufgeklärten Zeit überflüssig sein sollten.

Die Betroffenen selbst wissen um ihre Fähigkeiten und Schwächen. Sie sollten selbst die Kraft und den Mut haben, sich aus ihrer Schublade zu befreien. Hierzu fordere ich jeden Betroffenen auf.

In einer Schublade ist es zwar bequem, aber doch sehr, sehr eng.

Alle anderen Menschen sollten unvoreingenommen auf Menschen mit besonderen Merkmalen wie Rasse, Sprache, Kultur oder Handicap zugehen. Denn all dies ist unbedeutend, steht doch immer das Individuum mit seinen ganz persönlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen im Vordergrund und nicht das Kollektivbild, das in der Öffentlichkeit von den Menschen einer Gruppe gezeichnet wird. Also ob es jetzt um behinderte Menschen, Geschlechterrollen oder bestimmte Berufsstände geht, sollte zunächst keine Rolle spielen. Denn ein jeder Mensch ist einzigartig und passt in keine Schublade. Daher sollte auch das Wort „Integration“ in den gezeigten Fällen überflüssig sein.

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