Evgen Bavcar, der blinde Fotograf – kann es denn so etwas geben?

Auch ein Blinder hat visuelle Anlagen, optische Bedürfnisse. Wie jemand, der sich in einem dunklen Raum nach Licht sehnt. Aus dieser Sehnsucht heraus fotografiere ich.

Evgen Bavcar

Evgen Bavcar wurde 1946 in Locavek, dem heutigen Slowenien geboren. Im Alter von elf Jahren verlor er durch zwei, kurz aufeinander folgende Unfälle sein Augenlicht. Daraufhin besuchte er die Schule am Blindeninstitut in Ljubljana und das Gymnasium in Nova Gorica. An der Universität in Ljubljana studierte Bavcar Geschichte und Philosophie. 1972 erhielt er dort sein Diplom. Im Anschluss daran promovierte er in Ästhetik und Philosophie an der Sorbone in Paris. Diese Promotion schloss er 1976 ab. In Paris begann der promovierte Philosoph sodann auch seine Fotografenkarriere.

Walter Aue verfasste viele Essays und Berichte über den blinden Bildermacher. Dort wird beschrieben, dass Freunde ihm berichten müssen, was auf den Kontaktabzügen zu erkennen ist. Zudem orientiert sich Bavcar an Geräuschen und richtet daraufhin seine Kamera spontan aus. Den Bildern Bavcars sei eine jungfräuliche Unverdorbenheit eigen, die man künstlich nicht herstellen könne, so berichtet Aue.

Die Vorgehensweise beim Fotografieren erläutert Kai Müller, der Verfasser eines Artikels über ihn, wie folgt: „Was Bavcars Interesse weckt, sind Geräusche, das lahme Schleifen eines Pappkartons, den ein alter Mann über den Bürgersteig zieht, das flatternde Rauschen aufsteigender Tauben, ein vorüberfahrendes Auto. Er hält die Kamera in die ungefähre Richtung und drückt auf den Auslöser. Das sei eine ungeheure Provokation, dass ein Blinder andere das Sehen lehre. Eine Provokation, die auch dem selbst erklärten Fährtensucher Aue keine Ruhe ließ, als er von Bavcars Wirken durch eine Zeitungsnotiz erfuhr. Mittlerweile hat er Dutzende Essays über den weltberühmten Fotografen veröffentlicht, dessen Frage „Was siehst du?“ ihn immer wieder zur Auseinandersetzung angeregt hat.“  (Kai Müller in: Der Tagesspiegel vom 2. Dezember 2002).

Wer sich noch näher mit Bavcar beschäftigen möchte, dem sei das folgende Buch ans Herz gelegt: „Am Ende des Lichts – Die Bilder des blinden Fotografen Evgen Bavcar mit Essays von Walter Aue“, ca. 200 Seiten; ISBN 3-933149-23-1, lohnenswert ist auch ein Ausflug auf die Homepage des Künstlers.

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